Bei einem Atomunfall werden nicht-radioaktive Stoffe aber auch radioaktive Stoffe freigesetzt. Medizinisch bedeutsam ist vor allem das radioaktive Jod, weil es die gleichen Eigenschaften wie das natürliche Jod aufweist und sich somit in der Schilddrüse anreichert. Folge kann ein Schilddrüsenkarzinom sein.
Es kann eingeatmet werden, aber auch über die Nahrung und Getränke aufgenommen werden.
Ja, Leitungswasser wird kontrolliert und bei radioaktiver Belastung nicht in die Versorgung eingespeist.
Wenn die Strahlendosis einen gewissen Schwellenwert (ca. 500 Millisievert beim Erwachsenen) überschreitet, gehen Zellen zugrunde. Besonders betroffen sind Haut, Haare und der Gastrointestinaltrakt. Klinisch können sich verbrennungsähnliche Hauterscheinungen präsentieren, es kann zu Haarausfall und Übelkeit kommen. Ferner kann unter anderem die Fruchtbarkeit und die Blutbildung beeinträchtigt werden. Spätschäden in Form von Lungenfibrose oder Herz- und Kreislauferkrankungen sind ebenfalls möglich. Fehlbildungen bei Ungeborenen dürfen auch nicht unerwähnt bleiben.
Es handelt sich dabei um Schäden, die später aufgrund einer Erbgutschädigung auftreten. Nach einem Reaktorunfall kommen vor allem das Schilddrüsenkarzinom und leukämische Krankheitsbilder gehäuft vor.
Jodblockade
Der Nutzen ist unbestritten. Der Reaktorunfall von Tschernobyl führte in Polen zu einer Prävention besonders der Kinder mit Jodtabletten. Eine Nachuntersuchung bestätigte den präventiven Charakter; die behandelten Personen hatten kein höheres Risiko für Schilddrüsenkrebs. In Weißrussland, wo keine Jodblockade durchgeführt wurde, trat Schilddrüsenkrebs hundertmal häufiger auf.
Wolff-Chaikoff-Effekt
Wenn die Jodzufuhr drastisch erhöht wird, blockiert ein bisher unbekannter Mechanismus die Jodaufnahme in die Follikel der Schilddrüse und reduziert so die Hormonsynthese. Da andere Organe Jod nicht aufnehmen können, wird das radioaktive Jod ausgeschieden oder abgebaut.
Bei einer gesunden Schilddrüse ist dieser Kompensationsmechanismus nach einer hohen Jodzufuhr selbstlimitierend.
Kinder
Schwangere
über 45-Jährige
Es muss der richtige Einnahmezeitpunkt erwischt werden. Wenn die Einnahme zu früh erfolgt, kann der Wolff-Chaikoff-Effekt schon abgeflacht sein, wenn die radioaktive Wolke den Wohnort überquert. Die Katastrophenschutzbehörden haben als Erste Kenntnis über Ausbreitung der Wolke und die Freisetzung des radioaktiven Jods, daher sollte das ärztliche Personal ihre Patienten darauf hinweisen, die Jodtabletten nicht einfach so zunehmen, sondern die Empfehlungen der Behörden umzusetzen.
Im Fall eines Reaktorunfalles wird in Deutschland die Bevölkerung kostenlos mit Jodtabletten (Kaliumiodid-Tabletten) versorgt. Diese Tabletten haben keine Schachtel, sondern werden als Tablettenstreifen mit einem Merkblatt herausgegeben. Daneben gibt es auch Haushaltspackungen, die Menschen, die sehr nahe an einem Atomkraftwerk wohnen, bereits von den Behörden erhalten haben.
Die Jodtabletten, die z.B. in der Schwangerschaft oder bei einer Struma eingesetzt werden, enthalten lediglich 100 - 200 µg (0,1 – 0,2 mg) Kaliumiodid. Um den Wolff-Chaikoff-Effekt zu erzielen, enthalten die Tabletten, die nach einem Atomunfall herausgegeben werden, eine deutlich höhere Menge an Kaliumiodid (65mg). Somit ist von der Selbstmedikation entschieden abzuraten, da kein Nutzen, aber dafür ein Schaden eintreten kann.
Nach Aufforderung durch die Katastrophenschutzbehörden sollten die Tabletten entweder geschluckt oder in Wasser aufgelöst werden. Nach der Auflösung der Tablette muss das Getränk sofort konsumiert werden, da die Haltbarkeit rasch nachlässt. Bei Säuglingen und Kindern kann die Tablette auch in Saft oder Tee aufgelöst werden. Die Tabletten sollten möglichst nicht auf nüchternen Magen genommen werden.
In der Regel kann die Jodblockade mit einer einmaligen hohen Dosis erreicht werden. Eine erneute Gabe ist nur auf ausdrückliche Empfehlung der Katastrophenschutzbehörden sinnvoll.
Patienten mit Morbus Basedow oder einem Schilddrüsenknoten sollten keine Jodblockade durchführen, da der Nutzen geringer ist, als die Gefahr eine thyreotoxische Krise oder eine relevante hyperthyreotische Stoffwechsellage auszulösen. Die Hashimoto-Thyreoiditis ist keine Kontraindikation für eine kurzzeitige Kaliumjodid-Einnahme.
IPPNW Deutschland - Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.