FALL
Ein 50-Jähriger Patient, der ein bekanntes Marfan-Syndrom hat, verspürt plötzlich stärkste Schmerzen im Brustkorb und ein Wühlen im Brustbereich. Wenige Minuten später wird erst das eine Bein lahm und dann auch das zweite Bein. Der Notarzt stellt Minuten später ein Kammerflimmern fest und führt die Reanimation erfolgreich durch. Nun wird dir dieser Patient übergeben.
Krankheitsbild
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Wie lautet deine Verdachtsdiagnose?
Aortendissektion
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Kennst du die klinische Einteilung dieser Erkrankung?
Einteilung nach Stanford
- Typ-A-Dissektion (proximal) → Aorta ascendens betroffen (unabhängig vom weiteren Verlauf)
- Typ-B-Dissektion (distal) → nur Aorta descendens betroffen (distal der A. subclavia sinistra)
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Welcher Abschnitt der Aorta ist am häufigsten von einer Dissektion betroffen?
Aorta ascendens (> 60%)
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Ein paar Symptome konntest du bereits in der Fallbeschreibung lesen. Fasse noch einmal die typischen Symptome zusammen.
Leitsymptom → Schmerz
- plötzlich einsetzender, stärkster Schmerz in Brust, Nacken und/oder Rücken
- Riss der Aorta wird als wandernder Schmerz empfunden oder mit einem Axthieb beschrieben
Schocksymptomatik
- Tachykardie
- Hypotonie
- Angst
Verlegung von Gefäßen
- Stroke, Myokardinfarkt, spinale Ischämie, Darmischämie, akutes Nierenversagen
Aortenklappeninsuffizienz
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Wie lässt sich die Aortenklappeninsuffizienz durch die Dissektion erklären?
Die Aortenklappen sind an der Intima befestigt und wenn die Aortendissektion bis auf den Aortenklappenring reicht, ändert sich dadurch die Geometrie an der Aortenklappe und die Klappen werden schlussunfähig.
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Welche Faktoren begünstigen eine Aortendissektion?
- Arteriosklerose
- Hypertonie
- inflammatorische Prozesse
- angeborene Schwäche des Bindegewebes z.B. Marfan-Syndrom, Ehlers-Danlos-Syndrom
- Dezelerationstrauma
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Es gibt eine Medikamentengruppe, die schon länger in der Kritik steht und auch im Verruf steht, das Risiko für Aortendissektionen und Aneurysmen zu erhöhen. Weißt du, um welches Medikament es sich dreht?
Fluorchinolone → vermutet wird eine Schädigung der glatten Muskulatur und der extrazellulären Matrix durch die Einnahme von z.B. Ciprofloxacin oder Levofloxacin
Diagnose
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Kennst du einen Score, der dir das weitere diagnostische Vorgehen aufzeigt?
Aortendissektions-Risikoscore
- Kategorie: Hochrisiko-Anamnese → Marfan-Syndrom, bekanntes Aneurysma/Aortenklappenerkrankung, positive Familienanamnese, vorangegangene Operation an der Aorta
- Kategorie: Hochrisiko-Symptome → Brust-, Rücken- oder Bauchschmerzen, die akut begonnen haben, eine hohe Schmerzintensität haben und als zerreißend beschrieben werden
- Kategorie: Hochrisiko-Untersuchungsmerkmale → Hypotension, Schock, diastolisches Geräusch über Erb, Pulsdefizit, Blutdruckdifferenz, neurologische Defizite
Auswertung
- 0 - 1 → niedriges/mittleres Risiko
- 2 - 3 → hohes Risiko
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Dein Patient hat aufgrund der Marfan-Erkrankung und der Schmerzbeschreibung ein hohes Risiko. Wie sieht dein weiteres diagnostisches Vorgehen konkret aus?
- Ausschluss Myokardinfarkt → EKG/Troponin
- Diagnose Aortendissektion → CT und/oder TEE
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Wie würdest du diagnostisch vorgehen, wenn dein Patient ein niedriges oder mittleres Risiko aufweist und stabil ist?
Ausschluss Myokardinfarkt
- EKG
- Troponin
Diagnose Aortendissektion
- D-Dimere
- Röntgenthorax (verbreitertes Mediastinum)
- TTE
Sollte sich der Verdacht erhärten, wird eine CT und/oder TEE durchgeführt.
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Nenne fünf Untersuchungsbefunde, die dir im Rahmen einer Aortendissektion begegnen können?
Klinische Zeichen ergeben sich meist aus den Komplikationen
- Puls- und Blutdruckdifferenz
- Hypotonie und Tachykardie → Schock
- neu aufgetretenes Diastolikum → Aortenklappeninsuffizienz
- neurologische Defizite → Verlegung hirnversorgender Gefäße
- Pulsus paradoxus → Perikardtamponade
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Bezüglich der Komplikationen solltest Du dir noch ein paar Laborwerte anschauen. Nenne drei Laborwerte und begründe, welche Komplikationen du damit erfassen möchtest.
- Laktat → Darmischämie durch Verlegung der Mesenterialgefäße
- Kreatinin → akutes Nierenversagen durch Verlegung der Nierenarterien
- Troponin → Myokardinfarkt durch Verlegung der Koronararterien
Therapie
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Welche allgemeinen Maßnahmen müssen nach/neben der Diagnosestellung von dir eingeleitet werden?
- Kontrolle der Vitalparameter
- ggf. Blutdrucksenkung auf etwa 120 mmHg systolisch, vorzugsweise mit Betablockern
- Schmerztherapie mit stark wirksamen Opioiden
- Konsultation der Herz- und Gefäßchirurgie
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Die Radiologie meldet sich bei dir und gibt die Diagnose “Typ A Dissektion nach Stanford” durch. Welche Therapie ist jetzt indiziert?
Der sofortige operative Aortenersatz (ggf. Aortenklappenrekonstruktion) gilt als Standardtherapie.
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Wenn dir die Radiologie die Diagnose “Typ B Dissektion nach Stanford” durchgegeben hätte, wie sähe dann die Therapie aus?
Eine Operation käme in Betracht, wenn lebensbedrohliche Komplikationen wie etwa die Aortenruptur hinzu kämen. Ansonsten übersteigt das Operationsrisiko den Nutzen. Profitieren können die Patienten von einer endovaskulären Aortenreparatur, bei der ein Stentgraft den Dissektionsbereich verschließt.
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Kennst du Komplikationen, die im Rahmen einer endovaskulären Aortenreparatur auftreten können?
- Endoleak → Leck zwischen eingebautem Stent und Gefäßwand
- Gefäßverschlüsse durch den Stent → spinale Ischämie, Stroke, Mesenterialischämie