FALL

Du hast Dienst in der Notaufnahme und zu dir kommt ein älterer Mann, der stärkste Schmerzen im Bein verspürt. Der Schmerz hat plötzlich begonnen und wird begleitet von einem Kältegefühl. Motorisch ist er auch eingeschränkt und nur mit Hilfe seiner Frau in der Lage gewesen, die Notaufnahme aufzusuchen. Bisher ist er immer gesund gewesen, hat sich aber für die kommende Woche einen Termin beim Hausarzt geben lassen, weil sein Herz ständig stolpert.

Krankheitsbild

  • Wie lautet deine Verdachtsdiagnose?

    Akuter peripherer Gefäßverschluss

  • Kennst du Ursachen, die zu einem peripheren Gefäßverschluss führen?

    arterielle Embolie → Material wird eingeschwemmt (etwa 80%)

    • Ablösung eines Thrombus aus dem Herzen z.B. bei VHF oder Endokarditis
    • Ablösung von Plaque aus der Aorta
    • venöser Thrombus gelangt durch das offene Foramen ovale in den arteriellen Gefäßabschnitt (paradoxe Embolie)

    arterielle Thrombose → Gerinnselbildung im Gefäß (etwa 20%)

    • meist auf dem Boden einer pAVK
    • Polyglobulie, Thrombozytose
  • Wie unterscheidet sich klinisch eine arterielle Embolie von einer arteriellen Thrombose?

    arterielle Embolie

    • akuter Beginn → Kollateralgefäße sind nicht vorhanden
    • häufigste Lokalisation → (Femoralis)bifurkation
    • kardiale Vorerkrankung

    arterielle Thrombose

    • subakuter Beginn → aufgrund der Vorschädigung der Gefäße haben sich bereits Kollateralgefäße gebildet
    • bekannte pAVK

Diagnose

  • Wie sieht nun deine klinische Untersuchung aus, um die Verdachtsdiagnose zu untermauern?

    Zur Orientierung dienen die “6P” nach Pratt:

    • Pain (Schmerz)
    • Pulselessness (Pulslosigkeit)
    • Paleness (Blässe)
    • Paresthesia (Sensibilitätsstörungen)
    • Paralysis (Bewegungsstörungen)
    • Prostration (Schock)
  • Deine Verdachtsdiagnose hat sich erhärtet. Wie kannst du deinen Verdacht nun objektivieren?

    Da es sich um einen Notfall handelt, darf eine umfangreiche Diagnostik nicht die Einleitung der Therapie gefährden. Eine farbkodierte Duplexsonographie sollte zur Diagnosesicherung durchgeführt werden. Gegebenenfalls folgen noch CT-Angio, MR-Angio und/oder DSA.

Therapie

  • Welches Zeitfenster zur Eröffnung des Lumens musst du bei deinem Vorgehen immer im Hinterkopf haben?

    In den ersten sechs Stunden, da sonst der Verlust der Extremität droht.

  • Welche Notfallmaßnahmen lässt du deinem Patienten zukommen?

    • sofortige Konsultation der Gefäßchirurgie
    • Patienten nüchtern lassen
    • Heparin als Bolus, anschließend Heparin-Perfusor
    • Analgesie
    • Schockprophylaxe → intravenöser Zugang mit Volumensubstitution und beruhigendes Vorgehen seitens des Personals
    • Tieflagerung der Extremität
    • Wattepolsterung → Wärmeverlust wird verhindert
  • Die Krankenschwester fragt dich, ob sie eine Medikation auch als intramuskuläre Injektion vorbereiten darf. Wie stehst du zu diesem Vorschlag?

    Da eventuell eine Lysetherapie ansteht, sollte auf eine i.m. Injektion verzichtet werden.

  • Welche Therapieverfahren kennst du?

    • Katheterverfahren nach Fogarty → ein Katheter wird mit einem Ballon über den Thrombus hinausgeschoben und erst hinter dem Thrombus geöffnet, beim Herausziehen des Katheters wird dann das thrombotische Material mit herausgezogen
    • Lysetherapie (Urokinase, Streptokinase, Alteplase)
    • OP → Bypass

Komplikationen

  • Welches Syndrom würde deinem Patienten drohen, wenn die Eröffnung des Gefäßes nicht in sechs Stunden gelingt?

    Tourniquet-Syndrom (Postischämiesyndrom) → nach Wiederherstellung der Durchblutung können Stoffwechselprodukte aus dem ischämischen Gebiet im Körper verteilt werden und systemische Probleme verursachen:


    Rhabdomyolyse

    • Myoglobin Freisetzung → Crush-Niere
    • Kalium Freisetzung → Herzrhythmusstörungen

    Ischämie

    • Azidose → Herzrhythmusstörungen
    • hypoxischer Kapillarschaden → nach Reperfusion kann sich ein massives Ödem bilden, das zu einem hypovolämischen Schock führen kann