FALL

Eine 40-Jährige stellt sich in deiner internistischen Praxis vor. Sie hat eine Schwellung am Hals, die sofort sichtbar ist. B-Symptome und Infektionszeichen liegen nicht vor. Das Blutbild ist blande. Die Patientin gibt an, leichte Schluckbeschwerden zu haben.

Krankheitsbild

  • Wie lautet deine Verdachtsdiagnose?

    Jodmangel mit Strumabildung

  • Welche Hauptaufgabe hat dieses Spurenelement im Körper?

    Produktion der Schilddrüsenhormone Thyroxin und Trijodthyronin 

  • Wie entsteht bei deiner Verdachtsdiagnose eine Struma?

    • intrathyreoidaler Jodmangel (wichtigster Faktor) → Aktivierung lokaler Wachstumsfaktoren (IGF I, EGF) → Hyperplasie 
    • Mangel an Schilddrüsenhormonen → erhöhte Freisetzung von TSH → Hypertrophie

Diagnostik

  • Untertitel hier einfügen
  • Wie sieht deine Blickdiagnose aus?

    Struma Grad III

  • Kennst du grob die Einteilung der WHO?

    0 → keine Struma (nur in der Sonographie sichtbar)


    → tastbare Struma (a. tastbar und bei Reklination nicht sichtbar, b. tastbar und bei Reklination sichtbar) 


    II → sichtbare Struma auch ohne Reklination


    III → Struma auch aus Distanz sichtbar

  • Wann gilt die Schilddrüse als vergrößert?

    • Frauen → ab 18 ml
    • Männer → ab 25 ml
  • Ab wann ist eine Struma sichtbar?

    ab etwa 40ml

  • Wie sieht deine klinische Untersuchung aus?

    Inspektion 

    • Hals sollte in Normalposition und während der Reklination betrachtet werden, um die Struma-Grade nach der WHO zu bestimmen

    Palpation

    • Verschieblichkeit, Knoten, Druckschmerzhaftigkeit, Lymphknoten

    Auskultation 

    • ein Schwirren steht für eine verstärkte Durchblutung 
  • Welche Befunde bei der Untersuchung und des Anamnesegesprächs sind malignitätsverdächtig?

    • unregelmäßiger Tastbefund
    • Lymphknoten am Hals ohne Infektionsgeschehen
    • Schilddrüsenknoten, die nicht verschieblich sind
    • positive Familienanamnese
    • Zustand nach Bestrahlung der Halsregion im Kindesalter
  • Welche zwei Untersuchungen schließen sich noch an?

    • Sonographie → Nachweis der Schilddrüsenvergrößerung und Klassifikation (Struma nodosa oder Struma diffusa)

    • Labor → TSH, differentialdiagnostisch ggf. Antikörper, Entzündungswerte und weitere Parameter 
  • Wie sehen die Schilddrüsenwerte bei einer Struma aus?

    Eine Struma sagt nichts darüber aus, ob eine Hypothyreose, Hyperthyreose oder eine Euthyreose vorliegt.

  • Welche Differentialdiagnosen kommen infrage?

    • Karzinom
    • Metastase
    • Zyste
    • Selenmangel
    • Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse
    • Riedel Struma
    • Thyreoiditis de Quervain

Therapie

  • Deine Patientin hat eine Struma, keine Knoten und eine normale Stoffwechsellage. Welche Therapie leitest du ein?

    • Erwachsene → Kombinationstherapie mit Jodtabletten und L-Thyroxin
    • (Kinder → Monotherapie mit Jodtabletten)
  • Was bewirkt die Einnahme von Jodid?

    • geringe Dosis → fördert die Synthese der Schilddrüsenhormone 
    • hohe Dosis → hemmt die Freisetzung der Schilddrüsenhormone (Wolff-Chaikoff-Effekt; wird z.B. nach einem Atomunfall genutzt)
  • Welche Wirkung soll durch die zusätzliche Gabe von L-Thyroxin erreicht werden?

    Da ein erhöhter TSH-Wert die Hypertrophie der Schilddrüse fördert, ist ein niedriger TSH-Wert vorteilhaft. Das wird durch die Gabe von Schilddrüsenhormonen erreicht. Angestrebt wird ein niedriges, aber noch normales TSH.

  • Wann ist eine medikamentöse Therapie mit Jod kontraindiziert?

    • Jodallergie (selten, nicht zu verwechseln mit der Allergie gegen Kontrastmittel)
    • Hyperthyreose → Gefahr durch die Therapie eine thyreotoxische Krise auszulösen
    • Malignomverdacht
  • Was kann passieren, wenn jodhaltiges Kontrastmittel bei einer Struma gegeben wird?

    Bei plötzlicher Behebung der Jodmangelsituation kann durch die autonomen Areale, die bei längerem Jodmangel entstehen können, eine überschießende Hormonsynthese ausgelöst werden (Hyperthyreose).

  • Welche therapeutischen Möglichkeiten stehen noch zur Verfügung, wenn die medikamentöse Therapie nicht anspricht und die Größenzunahme Probleme bereitet?

    • operative Verkleinerung der Schilddrüse
    • Radiojodtherapie → die Patientin schluckt radioaktives Jod, das von der Schilddrüse aufgenommen wird und seine radioaktive Wirkung entfaltet und das Schilddrüsengewebe zerstört
  • Warum ist vor einer Radiojodtherapie eine Jodkarenz wichtig?

    Jodkarenz  → jodhaltiges Kontrastmittel oder Medikamente (z.B. Amiodaron, Nahrungsergänzungsmittel) sollten im Vorfeld gemieden werden, zudem sollte eine jodarme Ernährung angestrebt werden 


    Vorteile

    • wenn die Schilddrüse wenig Jod enthält, kann besonders viel von dem radioaktiven Jod aufgenommen werden
    • Vermeidung des Wolff-Chaikoff-Effekts
  • Muss eine Radiojodtherapie stationär stattfinden?

    Ja, damit andere Menschen nicht durch die Strahlung gefährdet werden. Beim radioaktiven Zerfall des Jods kann neben der therapeutisch genutzten Betastrahlung auch Gammastrahlung entstehen, die eine größere Reichweite hat. Daher darf die Patientin auch keinen Besuch während der Therapie empfangen. Auch wird das Abwasser aus dem Patientenzimmer (Toilette, Dusche, Waschbecken) in speziellen Vorrichtungen gesammelt und erst nach Abklingen der Strahlung entsorgt.

  • Wie lange dauert der stationäre Aufenthalt?

    Eine stationäre Abschirmung von mindestens 48 Stunden ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Zudem darf die Reststrahlung einen bestimmten Wert nicht überschreiten. Diese Reststrahlung ist von Person zu Person sehr unterschiedlich und kann unter Umständen auch mehrere Wochen dauern.

  • Welche Nebenwirkungen hat die Radiojodtherapie?

    Akutkomplikationen

    • Entzündung der Schilddrüse, der Speicheldrüsen und des Magens
    • Geschmacksveränderungen

    Spätkomplikationen

    • Zweitneoplasie (Lymphom oder Leukämie)
    • Hypothyreose
  • Wann tritt der Therapieerfolg in der Regel ein?

    Die Wirkung (Volumenreduktion bis minus 40%) tritt erst in 3 - 6 Monaten ein.

  • Was sollte vor einer Radiojodtherapie noch gemacht werden?

    • Ausschluss einer Schwangerschaft
    • Ausschluss eines Malignoms (es erfolgt erst eine Operation)
    • Herstellung einer euthyreoten Stoffwechsellage
    • Radiojodtest, um die Dosis zu bestimmen

Komplikationen und Prävention

  • Welche Komplikationen können bei deiner Patientin auftreten?

    • Größenzunahme mit oberer Einflussstauung und Tracheaverdrängung
    • Knoten
    • Schilddrüsenautonomie 
  • Welche Strumaprophylaxe wird empfohlen?

    • Deutschland ist ein Jodmangelgebiet geworden → Speisesalz, Lebensmittel und Futtermittel werden in vielen Ländern mit Jod angereichert
    • medikamentöse Prophylaxe → Schwangerschaft und Stillzeit